Bohrscher Radius

physikalische Konstante

Der bohrsche Radius bezeichnet den Radius des Wasserstoffatoms im niedrigsten Energiezustand und somit auch den Radius seiner ersten und kleinsten Elektronenschale im Rahmen des bohrschen Atommodells; dabei bleibt die kleine Korrektur, die der Mitbewegung des Atomkerns um den Schwerpunkt entspricht, noch unberücksichtigt.

Physikalische Konstante
Name Bohrscher Radius
Formelzeichen
Größenart Länge
Wert
SI 5.29177210544(82)e-11 m
Unsicherheit (rel.) 1.6e-10
CGS 5.29177210544(82)e-9 cm
Bezug zu anderen Konstanten
Quellen und Anmerkungen
Quelle SI-Wert: CODATA 2022 (Direktlink)

Eine quantenmechanische Betrachtung ergibt, dass im niedrigsten Energiezustand die radiale Wahrscheinlichkeitsdichte, das Elektron zu messen, beim bohrschen Radius maximal wird. Der experimentell relevantere Erwartungswert für den Radius ist jedoch das 1,5-fache des bohrschen Radius.

Formeln und Zahlenwert

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Der bohrsche Radius errechnet sich gemäß der Formel:

 

Dabei ist

  die elektrische Feldkonstante,
  die durch   geteilte Planck-Konstante,
  die Masse des Elektrons und
  die Ladung des Elektrons.

Ebenso wird der bohrsche Radius beschrieben durch

 

mit

der Compton-Wellenlänge   des Elektrons und
der Feinstrukturkonstante  

Der Wert beträgt nach derzeitiger Messgenauigkeit der in die Rechnung einfließenden Naturkonstanten:[1]

 

wobei die eingeklammerten Ziffern die geschätzte Standardabweichung der letzten Dezimalstellen angeben.

Mit dieser Definition gilt der bohrsche Radius als eine Naturkonstante. Zum Beispiel in der Atomphysik wird sie oft als Längeneinheit benutzt, wobei als Näherungen 52,9 pm oder ein halbes Ångström (= 50 pm) verwendet werden.

Berücksichtigt man die endliche Masse   des Kerns und damit seine Mitbewegung um den gemeinsamen Schwerpunkt, muss man in den mechanischen Formeln die Elektronenmasse   durch die reduzierte Masse   ersetzen. Der Bahnradius wird dann  . Die Korrektur beträgt beim H-Atom nur ca. 0,05 %, beim He+-Ion, das ebenfalls nur ein Elektron besitzt, ca. 0,01 %. Mit entsprechenden Werten für die Masse wird der Begriff des bohrschen Radius auch für andere Systeme verwendet, z. B. Exzitonen.

Herleitung

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Schon mithilfe einer einfachen Abschätzung und unter Berücksichtigung der Unschärferelation lässt sich der bohrsche Radius ermitteln.

Es wird angenommen, dass der Abstand des im Wasserstoffatom gebundenen Elektrons zum Kern für gewöhnlich   beträgt.

Der Unschärferelation wegen lässt sich der Impuls des Elektrons grob mit

 

angeben, wobei die Ortsobservable   hier durch den Abstand   ersetzt wird.

Die kinetische Energie beträgt demnach

 

Die potentielle Energie ist gemäß dem Coulombschen Gesetz

 

woraus sich die Gesamtenergie ergibt:

 

Je weiter sich das Elektron vom Kern entfernt, desto kleiner wird seine kinetische Energie. Wegen des negativen Vorzeichens wächst damit aber seine potentielle Energie.

 
Kinetische, potentielle und gesamte Energie des Elektrons in Abhängigkeit vom Abstand (in bohrschen Radien) des Elektrons vom Atomkern für das Wasserstoffatom im Grundzustand

Im Grundzustand realisiert sich eine Art „Kompromiss“, der die Gesamtenergie minimal macht; der zugehörige Radius   ergibt sich, indem man die Energie nach   differenziert und die Ableitung gleich null setzt (Extremwertermittlung):

 

Dies ist genau der bohrsche Radius.

Setzt man nun   in   ein, so erhält man die Rydberg-Energie (Ry), die Ionisierungsenergie des Wasserstoffs:

 

Die Abbildung zeigt den Verlauf von kinetischer, potentieller und Gesamtenergie in Abhängigkeit vom Abstand (in bohrschen Radien). Setzt man   in die Formel für   bzw.   ein, so ergeben sich

 

bzw.

 .

Der Betrag der potentiellen Energie   wird als Hartree-Energie (Eh) bezeichnet und ist eine weitere Einheit des Systems atomarer Einheiten der Atomphysik.

Historisches

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Niels Bohr erwähnt in seinem Aufsatz[2] den österreichischen Physiker Arthur Erich Haas, der die Formel für   schon 1910/11 gefunden und damit erstmals die Rolle erkannt hatte, die die Plancksche Konstante   in der Atomphysik, insbesondere in ihren mechanischen Aspekten, spielen könnte. In seinem Modell läuft ein Elektron auf der Oberfläche einer mit   positiv geladenen Kugel um, was nach dem Gaußschen Gesetz der Elektrostatik dieselbe Anziehungskraft ergibt wie ein punktförmiger Kern. Dieses Modell fand damals keine Beachtung, u. a. weil man vielfach auch beim Wasserstoff noch von einer viel größeren Anzahl von Elektronen ausging, also entsprechend auch von einer größeren positiven Ladung des Rests des insgesamt neutralen Atoms. Auch hielt man es weithin für ausgeschlossen, dass   außerhalb des Themas harmonische Schwingungen eine Bedeutung haben könnte.

Anfangs lagen die mit dem bohrschen Radius   berechneten Energien bzw. Wellenlängen des Wasserstoffspektrums um 0,05 % neben den damals bekannten Messwerten, beim Helium-Ion um 0,01 %. Doch dass die kleinen Korrekturen wegen der Mitbewegung des Kerns in beiden Fällen volle Übereinstimmung erbrachten, sicherte dem bohrschen Modell rasch große Anerkennung.

  • R. P. Feynman: Vorlesungen über Physik. Quantenmechanik. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2007, ISBN 978-3-486-58109-6.
  • L. M. Brown, A. Pais, Sir B. Pippard (Hrsg.): Twentieth Century Physics. Band 1, Inst. of Phys. Publishing, Bristol 1995, ISBN 0-7503-0353-0.
  • Max Jammer: The Conceptual Development of Quantum Mechanics. MCGraw-Hill, New York 1966.

Einzelnachweise

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  1. CODATA Recommended Values (2022). National Institute of Standards and Technology, abgerufen am 10. Juni 2024. Wert für den bohrschen Radius. Die eingeklammerten Ziffern bezeichnen die Unsicherheit in den letzten Stellen des Wertes, diese Unsicherheit ist als geschätzte Standardabweichung des angegebenen Zahlenwertes vom tatsächlichen Wert angegeben.
  2. N. Bohr: On the Constitution of Atoms and Molecules. In: Philosophical Magazine. Band 26, 1913, S. 4.